14. Juni 2019

Dr. Mensi-Klarbach im Interview im ESF Magazin insight

Dr. Heike Mensi-Klarbach ist Autorin zahlreicher Studien über Inklusion und Diversität im Arbeitskontext. Mit insight spricht sie über Corporate Governance und den Status Quo einer geschlechtergerechten Unternehmensführung. Sie klärt über Gleichstellungsmythen auf und fordert von Führungskräften Unterstützung der Mitarbeiterinnen bei der Planung von Familie und Karriere.

ESF: Was hat sich am Sektor der Gleichstellung seit Gründung des Institutes vor 17 Jahren geändert?

HK: Anfangs ging es hauptsächlich um Anti-Diskriminierung. Eine Vorreiterrolle spielte der öffentliche Sektor. Das Interesse privater Unternehmen an Diversität entwickelte sich aber zunehmend. Heute ist der Mehrwert eines gemischten Teams allgemein unbestritten. Weiter in den Fokus geraten Generationsmanagement, Wissenstransfer zwischen älteren und jüngeren MitarbeiterInnen sowie Interkulturalität.

ESF: Welchen Einfluss hat die Unternehmensgröße auf ein diversitätssensibles Management?

HK: Bei großen Unternehmen hat sich Diversitätsmanagement deutlich durchgesetzt, aber auch kleine Unternehmen beschäftigen sich mit der Diversität ihrer MitarbeiterInnen. Sie nennen es nur meistens anders. Zudem sehen wir, dass im Niedriglohn-Sektor – z.B. Handel, Pflege, Facilitymanagement – besonders viel Diversität (Frauen/Männer, Interkulturalität, Religion…) vorkommt. Diese Unternehmen tun entsprechend viel im Bereich Diversitätsmanagement.

ESF: Wie steht es mit der finanziellen Fairness?

HK: Geschlechterunterschiede in der Bezahlung sind historisch begründet und haben sich im Laufe der Zeit verstetigt. Entsprechend der traditionellen Rollenvorstellungen sind Berufsgruppen, in denen viele Frauen tätig sind, wesentlich schlechter bezahlt. Das liegt daran, dass man bei der Festsetzung von Gehältern vom traditionellen Modell des männlichen Hauptverdieners und der weiblichen Nebenverdienerin ausgegangen ist. Diese Vorstellungen wirken bis heute nach, zumal Kollektivverträge nicht vollständig neu verhandelt werden, sondern immer auf den Einstufungen der Vorjahre aufbauen. Auch der allgemeine Glaube, Frauen würden nicht so oft nach Gehaltserhöhungen fragen, wird von Studien widerlegt. Ihrem Wunsch wird aber wesentlich seltener nachgekommen. Dies kann damit erklärt werden, dass bei Frauen weniger davon ausgegangen wird, dass sie bei einem Verwehren der Gehaltserhöhung das Unternehmen verlassen als bei Männern.

ESF: Wie ist der Umgang mit Frauen, die Karriere machen wollen?

HK: Häufig wird die geringe Anzahl von Frauen in Führungspositionen damit begründet, dass Frauen sich weniger zutrauen oder weniger motiviert sind. Unsere Untersuchungen haben das aber klar widerlegt. Das Problem ist, dass sie von Vorgesetzten seltener gesehen und gefördert werden. Während bei männlichen Talenten eher das Potential gesehen und ihnen die Chance auf Entwicklung durch Karriereschritte gegeben wird, werden Frauen sukzessive mit dem Verweis zurück gehalten, dass sie noch nicht so weit seien, noch mehr Erfahrung und mehr Projekte bräuchten, bevor man ihnen den nächsten Karriereschritt zutraut. Sie werden also nicht gleichermaßen auf ihr Potential hin beurteilt, sondern mehr auf ihre vergangene Leistung.

ESF: Ist Teilzeit und Karenz der Grund für die geringe Präsenz von Frauen in Führungspositionen?

HK: Frauen mit Kindern, die in Teilzeit gehen, haben in Österreich tatsächlich einen großen Nachteil. Interessanterweise haben aber auch kinderlose Frauen, denen lediglich eine mögliche Familienplanung zugeschrieben wird, einen Nachteil. Nach wie vor wird also davon ausgegangen, dass Kinderbetreuung reine Frauensache ist, gleichzeitig sind Karrierechancen immer noch stark an ununterbrochene Vollzeitarbeit gebunden. Zwar gibt es gesetzlich verpflichtende Teilzeitmöglichkeiten für Eltern, de facto wird das Angebot aber von Frauen in Anspruch genommen. Das ist ihrer Karriere ganz bestimmt nicht förderlich, denn Leistung wird immer noch mit Quantität gleichgesetzt.

ESF: Was braucht es noch, damit Frauen auch in Top-Positionen gleichermaßen vertreten sind?

HK: Bisher wird die Ursache für den Mangel an Frauen in Führungspositionen hauptsächlich den Frauen selbst zugeschrieben: Sie wollen nicht, sie können nicht etc. Was zahlreiche Studien aber zeigen, ist, dass Frauen an der männlich geprägten Norm scheitern, weil das Bild einer Frau vielfach nicht mit dem eines Managers zusammen gesehen wird. Entweder werden Frauen als weniger geeignet betrachtet – z.B. zu emotional, zu weich, zu wenig durchsetzungsstark – oder aber, wenn sie den Managernormen ‚bossy‘, verbissen, ehrgeizig… entsprechen, werden sie als Frau entwertet. Insofern muss der erste Schritt für Betriebe darin liegen, sich Gedanken zu machen, welche Führungskräfte sie eigentlich haben wollen und ob die tradierte Vorstellung des ‚durchsetzungsstarken Machers‘ weiterhin Gültigkeit haben soll. Positiv ist, dass in agilen Unternehmen zunehmend vom Bedarf an ‚enabling‘ und ‚servant‘ Leaders gesprochen wird. Hier sind Eigenschaften gefragt, wie etwa MitarbeiterInnen zu motivieren, ihnen zu helfen, ihre Potentiale zu entwickeln, Teams zu moderieren etc. Diese Eigenschaften sind eher mit dem Bild einer Frau vereinbar und aus diesem Grund eine Chance für mehr Frauen in Top-Führungspositionen!

Das Interview und alle Inhalte der 4. Ausgabe des Insight Magazins gibt es im E-Book zum Nachlesen

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